Lassen Sie es uns also anpacken, die transatlantischen Beziehungen flott zu machen

Rede anlässlich eines Empfangs im Rahmen der Botschafterkonferenz am 6.09.2023

Sehr geehrte Frau Botschafterin Dr. Gutmann,

Sehr geehrte Frau Chargée d’Affaires Poupart,

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,

Sehr geehrte Vertreter der Länder,

Sehr geehrte Staatssekretärin Baumann und Staatssekretär Dr. Bagger, 

Sehr geehrte Damen und Herren Leiter der deutschen Auslandvertretungen, 

insbesondere liebe Frau Sparwasser,

Liebe transatlantische Freunde,

Nervosität macht sich in den deutschen, den nordamerikanischen und den internationalen Medien breit. Die Trump-Show läuft – politisch und nun auch juristisch mit „mug shot“ und allem was dazu gehört. Die beliebteste Journalisten-Frage, die ich und auch viele von Ihnen gestellt bekommen, lautet: was wäre wenn…?

Die Frage ist berechtigt. Sie spielt auch eine Rolle bei den Vorbereitungen des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung auf unterschiedliche Szenarien, dennoch sollte sie nicht im Zentrum unserer Überlegungen zur Zukunft der transatlantischen Partnerschaft stehen.

Denn die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft zu den USA und zu Kanada reicht weit über die Frage hinaus, wer im Weißen Haus oder in 24 Sussex Drive in Ottawa residiert.

Daher möchte ich heute Abend nicht Tagespolitik kommentieren, sondern skizzieren, was aus meiner Sicht notwendig ist, um das Netz der transatlantischen Kontakte und Beziehungen engmaschiger zu knüpfen und damit für die Mitte des 21. Jahrhundert zu aktualisieren.

Bevor ich zur politischen Dimension komme, lassen Sie mich mit ein paar Gedanken zur gesellschaftlichen Dimension beginnen.

Die transatlantische Partnerschaft ist getragen von einem breiten Netz persönlicher Kontakte aus allen gesellschaftlichen Bereichen – Bildung, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Militär und vieles mehr. Es gibt ein einmaliges Netz von Austauschangeboten. Diese zu stärken, Empfehlungen zu ihrer strategischen Ausrichtung zu geben, ist mir als Transatlantikkoordinator ein besonderes Anliegen. 

Dazu habe ich letztes Jahr an dieser Stelle bereits erste Gedanken formuliert. Ende des Jahres werde ich Ministerin Baerbock einen internen Bericht dazu vorlegen. Für die gute Zusammenarbeit mit Abt. 6 und dem Haus möchte ich mich bereits jetzt bedanken.

Wir haben ein breites Netzwerk an Kultur- und Wissenschaftsmittlern. Ja, wir haben großartige Institutionen wie die Villa Aurora und das Thomas House. 

Die zentrale Bedeutung der Kunst hat Präsident Kennedy vor 60 Jahren am Amherst College in klare Worte gefasst: “If art is to nourish the roots of our culture, society must set the artist free to follow his vision wherever it takes him. We must never forget that art is not a form of propaganda; it is a form of truth.” 

Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade im transatlantischen Bereich, Künstlerinnen und Künstlern den Freiraum geben, um ihre Wahrheit zu finden, unsere Gesellschaften und unsere Diskurse zu bereichern.

Für diese BoKo freue mich besonders, einen Kooperationspartner mit dem Verein Villa Aurora und Thomas Mann House gefunden zu haben, der mit seiner Arbeit genau dafür steht. Ich grüße den Vorstandsvors. Dr. Markus Klimmer und den geschäftsführenden Vorstand Dr. Jakob Scherer, die es möglich gemacht haben, dass wir uns heute Abend nicht nur in Gesprächen inspirieren lassen können, sondern auch von Kunstwerken Anna Haifischs. Auch Ihnen Frau Haifisch ein herzliches Willkommen! Sie sind Alumna der Villa Aurora, wo sie Ende letzten Jahres drei Monate in der Künstlerresidenz verbringen konnten. Mich haben Ihre grafischen Werke „with a twist“ direkt angesprochen. 

Ein Wort des Dankes auch an den Verein des ICAA und seine Kuratorin Gräfin von Arnim, die diese Ausstellung möglich gemacht haben. 

Das Thomas Mann House ist ein gutes Beispiel dafür, dass man auch von einer der Küsten, an denen Deutschland mit vielen Institutionen stark vertreten ist, in die Breite des Landes wirken kann. Die Ausstellung „Democracy Will Win“ wandert durch das Land und ist derzeit an der University of Kansas in Lawrence zu sehen und wird im Anschluss an die University of Notre Dame in South Bend, Indiana wechseln. Sie wird dort gezeigt, wo Deutschland kulturell und institutionell unterrepräsentiert ist: im Mittleren Westen und im Süden der USA. 

Gerade hier müssen wir das transatlantische Netz eng-maschig knüpfen und unsere Präsenz stärken, neue Zielgruppen adressieren und mehr Menschen für Deutschland und Europa begeistern.

Und dies gilt nicht nur, weil 2024 Wahlen stattfinden und wir uns auf unterschiedliche Szenarien vorbereiten.

Sondern es gilt, weil sich die USA und Kanada verändern – demografisch und kulturell. Die traditionellen Verbindungen mit Europa (Herkunft, Militärdienst, Gewicht Europas in der Weltpolitik) werden schwächer. Neue Gruppen werden stärker: Asian und Black Americans wachsen, Latinos gewinnen entscheidendes politisches Gewicht. Das verändert den Blick auf Deutschland und Europa nicht nur bei den Republikanern, sondern auch bei den Demokraten. 

Wir müssen unsere Zielgruppen stärker diversifizieren. Wir müssen raus aus der transatlantischen comfort zone.

Lassen Sie mich diesen Gedanken politisch an drei Punkten konkretisieren:

1. Wir sollten den Kontakt zu den demografischen Gruppen, die geringe Anknüpfungspunkte nach Europa haben, und deren politischen Repräsentanten aktiv suchen:

– Lassen Sie uns mit unseren GKs in Texas und Florida auf die Hispanics zugehen.

– Lassen Sie uns auf den Black caucus zugehen, wie ich es bei meiner letzten Reise auf Staateneben begonnen habe.

2. Wir sollten den Kontakt zu den Bundesstaaten und Provinzen verbreitern:

– Wir als föderales Land wissen, wie wichtig die Bundesstaaten in den USA, die Provinzen in Kanada und die Länder hier in Deutschland sind. Die Vernetzung auf dieser Ebene ist zentral. Nicht zuletzt, weil aktuell ca. 40% der Mitglieder des US-Kongress ehemalige Abgeordnete in Ihren Bundesstaaten waren. 

– Deshalb legt das AA nun ein neues State Legislator Besuchsprogramm auf. Es wird der Botschaft und den GKs die Möglichkeiten geben, langfristig politische Kontakte zu etablieren.

– Mein Dank geht auch an die Bundesländer, die selbst ganz wunderbare Kontakte zu ihren counter parts unterhalten. Heute Abend sind die Bevollmächtigten der Länder Sachsen und Baden-Württemberg unter uns. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir regionale und kommunale Partnerschaften stärken.

3. Wir sollten die politischen Kontakte in das gesamte politische Spektrum intensivieren:

– auch dafür sind die Kontakte in die Bundesstaaten wichtig. So wird Ministerin Baerbock im Rahmen ihrer nächsten US-Reise nicht nur nach Washington und New York reisen, sondern auch in einen großen, wichtigen Bundesstaat im Süden der USA. Und auch ich selbst versuche meine Reisen auf solche Bundesstaaten zu konzentrieren, die von deutschen Politikern eher selten besucht werden. Wie bereichernd und wichtig dieser outreach – sowohl zu den regierenden Republikanern, als auch zu den oppositionellen Demokraten – ist, habe ich zuletzt wieder auf meiner letzten Reise nach Oklahoma, Arkansas, Mississippi und Alabama gesehen. 

– zugleich gilt, dass das keine alleinige Anstrengung des AA ist. Wir arbeiten sozusagen als „Team Deutschland“ mit den politischen Stiftungen und den K.u.K. aus dem Bundestag zusammen daran. Sie alle leisten einen wichtigen Beitrag durch Delegationsreisen, Formate zwischen den Parteien und zum Teil langjährig bewährten Kooperationen. Erlauben Sie mir, dass ich ein Beispiel der FNF anführe: Claus Gramckow, der dieses Jahr den Staffelstab an Martin Biesel in DC übergibt, hat über die Jahre unglaublich starke Kontakte zu der Lieutant Governors Association aufgebaut.

Die genannten drei Punkte sind Teil des Werkzeugkastens, den wir brauchen, um die transatlantische Freundschaft zu erneuern. Doch all das wird wenig nützen, wenn wir nicht die Inhalte stärken und auf Kurs bleiben, unsere Interessen verfolgen und konkrete Angebote machen. Ich möchte schlaglichtartig Folgendes nennen:

– Wir haben ein klares Bekenntnis zum NATO 2% Ziel. Der Bundeskanzler hat es heute in der Haushaltsdebatte unmissverständlich deutlich gesagt. Auch mit Blick auf Klarheit zwischen transatlantischen Freunden ist dies wichtig. Es ist etwas, woran wir uns messen lassen.

– Wir brauchen eine pragmatische transatlantische Wirtschaftsagenda. Nutzen wir die nächsten 6 Monate, um so viel wie möglich mit der Biden-Administration durchzukriegen: den critical minerals act, vielleicht auch sektorale Abkommen. Sorgen wir dafür, dass wir einen transatlantischen Reflex entwickeln, um nicht in einen aufwendigen „repair mode“ wie bei IRA zu verfallen.

– Schließlich: lassen Sie uns die großen Zukunftsfragen mit unseren Freunden in Kanada und den USA gemeinsam angehen bei Technologie und Innovation (also KI, Quantum etc.). Und lassen Sie uns in diesen Bereichen gemeinsame Standards entwickeln, die zu globalen Standards werden können.

Hier hinter mir sehen Sie das Bild: „Colony Hotel“. Es ist eines der bekannten Art Deco Gebäude auf dem Ocean Drive. Auf Instagram hat Anna Haifisch es wie folgt untertitelt “Feel the need… the need for speed”. Als ich im März daran vorbeigelaufen bin und über die Eindrücke meiner Gespräche in Tallahassee nachgedacht habe, ging es mir genauso: I feel the need for speed. Lassen Sie es uns also anpacken, die transatlantischen Beziehungen flott zu machen und zwar mit Tempo.